Auszüge aus „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“ von Henry D. Thoreau

Ich glaube, wir sollten zuerst Menschen sein, und dann erst Untertanen. Es ist nicht erstrebenswert, vor dem Gesetz einen Respekt hervorzurufen, wie er vor der Gerechtigkeit besteht. Die einzige Verpflichtung, die zu befolgen ich auch ein Recht habe, ist jederzeit das zu tun, was ich für recht halte. Es ist wahr genug gesagt, dass eine Gemeinschaft kein Gewissen hat, aber eine Gemeinschaft gewissenhafter Menschen ist eine Gemeinschaft mit Gewissen. Das Gesetz hat die Menschen nie auch nur eine Spur redlicher gemacht, und durch ihren Respekt ihm gegenüber werden auch die Gutveranlagten täglich zu Dienern des Unrechts. Als ein naturgemäßes und verbreitetes Ergebnis des ungemäßen Respektes gegenüber dem Gesetz mag eine Einheit Soldaten gelten: Oberst, Leutnant, Unteroffiziere, Gefreite, Rekruten und alle, wie sie in bewundernswerter Ordnung über Stock und Stein in den Krieg marschieren, gegen ihren Willen, jawohl, gegen ihren Gemeinsinn und ihr Gewissen, was ihren Pfad in der Tat zu einem steilen Pfad macht und ihnen Herzrasen verursacht. Sie haben keinen Zweifel, dass sie in ein scheußliches Geschäft verwickelt sind, sie sind alle dem Frieden zugeneigt. Nun: Was sind sie? Menschen? Oder kleine, bewegliche Festungen und Waffenlager im Dienste eines skrupellosen und mächtigen Mannes?

Der Großteil der Menschen dient dem Staat auf diese Weise: Nicht vorwiegend als Menschen sondern als Maschinen, mit ihren Körpern. Sie sind die Armee, die Polizisten, Gefängniswärter, Ordnungshüter und so weiter. In den meisten Fällen bleibt ihnen kein Raum für persönliche Beurteilung oder moralisches Gefühl. Sie stellen sich auf eine Stufe mit Holz und Erde und Stein. Vielleicht können eines Tages Maschinen gebaut werden, die ihren Zweck ebenso gut erfüllten. Sie verdienen nicht mehr Respekt als Vogelscheuchen oder ein Stück Erde. Ihr Wert ist der eines Pferdes oder Hundes. Und doch sind es diese, die gemeinhin als geschätzte und gute Bürger gelten. Andere, etwa die meisten Gesetzesgeber, Politiker, Rechtsanwälte, Minister und Beamte, dienen dem Staat hauptsächlich mit ihren Köpfen. Weil sie kaum einmal moralische Überlegungen wagen, mögen sie ebensogut dem Teufel dienen als Gott, ohne es zu wollen. Wenige nur, wie Helden, Patrioten, Märtyrer, Reformatoren und Männer, dienen dem Staat außerdem mit ihrem Gewissen – und widerstehen ihm deshalb in den meisten Fällen. Deshalb werden sie vom Staat im Allgemeinen als Feinde behandelt.

Was die Wege angeht, die der Staat anbietet, um einem Übel abzuhelfen: Ich kenne sie nicht. Sie benötigen viel Zeit, und das Leben eines Mannes ist kurz. Es gibt noch andere Dinge, derer ich mich widmen muss. Ich bin nicht deswegen in diese Welt gekommen, um sie zu einem lebenswerten Ort zu machen, sondern um in ihr zu leben, sei sie gut oder schlecht. Ein Mann kann nicht alles tun, sondern nur weniges, und weil er ohnehin nicht alles tun kann, ist es nicht notwendig, dass er etwas Falsches tut. Es ist so wenig meine Aufgabe, dem Gouverneur oder den Gesetzesgebern Eingaben zu schreiben, als es deren Aufgabe ist, mir welche zu schreiben. Wenn sie meine Eingaben nicht hören, was sollte ich dann tun? In diesem Fall bietet der Staat keinen Weg an: Seine eigene Verfassung ist das Übel. Das mag hart und störrisch und unversöhnlich klingen, aber es bedeutet, den Geist, der es würdigen kann und es verdient, mit der äußersten Freundlichkeit und Überlegung zu behandeln. Alle Veränderungen zum Besseren sind so, wie Geburt oder Tod, die den Körper erschüttern.

Von einem niedrigen Standpunkt aus gesehen ist die Verfassung, mit all ihren Fehlern, sehr gut. Das Gesetz und die Gerichte sind achtenswert, sogar dieser Staat und die amerikanische Regierung sind in vielerlei Hinsicht bewundernswerte und einzigartige Dinge, für die man dankbar sein kann, wie es auch viele sind. Aber von einem höheren Standpunkt aus gesehen sind sie so, wie ich beschrieben habe, und wer soll sagen, wie sie von einem noch höheren oder dem höchsten Standpunkt aus gesehen sind, oder ob sie es überhaupt wert sind, von dort angesehen und betrachtet zu werden.
Dennoch befasse ich mich nicht viel mit der Regierung, und ich möchte ihr so wenig wie möglich Gedanken zuteil werden lassen. Es sind nur wenige Momente, die ich unter einer Regierung lebe, selbst in dieser Welt. Wenn ein Mann frei ist in seinen Gedanken, Phantasien und Vorstellungen, dann erscheint das, was nicht ist, ihm nie für eine lange Zeit als etwas, das ist, und törichte Machthaber und Reformer können ihn nicht sehr stören.

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Gefunden habe ich das ganze hierIch empfehle jedem, den ganzen Text nachzulesen.

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