intentionslos // TB

Draussen entfriert das Eis zu braunen Pfützen und das Grün des Grases sticht moosig gegen das Weissgrau der dichten Wolkendecke hervor. Die Vögel fangen wieder an lautlos zwischen den knorrigen, dunkelschwarzen Zweigen zu gleiten. Manchmal kommt die Sonne heraus und man weiss, der Frühling droht heranzubrechen. Die Schritte knirschen vom Kies, welches die Menschen wie Gewürz über die schneebedeckten Gehwege gestreut hatten. Niemand bereut irgendetwas; was war mit dem Winter geschehen, ausser dass sich die Menschen eingepackt hatten in ihre Winterjacken aus windfesten Kunststoffen und die Hände beim Zigaretten-Rauchen zitterten? Nur ich zeige Reue, mein Nacken ist gekrümmt und trotzdem bereitet mir nichts mehr Schmerzen. Ab und zu jagt mir ein lustvoller Schauer über den Rücken, wenn ich mir Frauen in abgewaschenen Sommerkleidern vorstelle; wenn der Frühling schon schreit wie ein Berserker, werden die Hitzefluten nicht lange auf sich warten lassen. Niemand zeigt Reue.
Die eine Russin aus sibirischen Gegenden hat es mir angetan. Ewiger Winter und dennoch ewige Wärme in ihren mütterlichen Schenkeln. Sie hat nie etwas bereuen müssen. Ich sehe sie auf der Strasse und ihr helles Haar macht mich lüstern und ich bereue immer. Auch das.
Der sibirische Winter stirbt. So eine eisige, anmutige Gewalt und doch ist er schwach, verliert an Kraft, mit jedem Tag, wie ein alter Mann in seinen letzten Zügen. Die Tyrannei des Frühlings nimmt ihren Anfang. Ich zeige Reue für mein eigenes Dasein, ich verbeuge mich demütig vor mir selber. Die Leute draussen beugen sich niemals und dann sagt die Russin ein paar sibirsch verfärbte Worte und ich kann schon nicht mehr.
Vor dem Frühling habe ich Angst.

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